Am 8. November 2022 fand die erste familea Fachtagung im Volkshaus Basel statt. Diese Fachtagung wurde vom ehemaligen Pflegeelternverein Nordwestschweiz initiiert, mitfinanziert und inhaltlich geprägt. Mit rund 100 Teilnehmenden, davon zahlreiche Pflegefamilien, kantonale Vertreterinnen und Vertreter sowie Fachpersonen der zuweisenden Stellen wurde das Thema «Spannungsfeld Pflegeverhältnis» – Beziehung versus rechtliche Rahmenbedingungen – gemeinsam bearbeitet. Im Fokus stand dabei das Wohl des Pflegekindes. Das Eintauchen in verschiedene Perspektiven ermöglichte den Einblick in «fremde Schuhe».

Die Perspektive der Kantone und zuweisenden Stellen

Die Kurzinputs der Kantone und zuweisenden Stellen zeigten die aktuellen rechtlichen Grundlagen auf und durchleuchteten die Rahmenbedingungen. Im Fokus standen auch die Übergänge im Leben der Kinder und Jugendlichen, die sehr anspruchsvoll sein können und folglich eine gute Vorbereitung brauchen. In der Zusammenarbeit mit allen Beteiligten braucht es klare Zuständigkeiten und Rollen, damit ein reibungsloser Ablauf von der Anfrage bis hin zur Platzierung und Betreuung gewährleistet werden kann.

Die Perspektive der Pflegefamilien

Im Interview mit der Pflegemutter S. Aeby wurde das Spannungsfeld zwischen «Beziehungsaufbau und Loslösung» sowie «Pflege-Mutter sein und Professionalität» thematisiert. Beeindruckend war ihr persönlicher Erfahrungsbericht in der Rolle als Pflegemutter, den S. Aeby mit allen Anwesenden teilte. Dieser machte  den anspruchsvollen Umgang mit den eigenen Emotionen bzw. mit Nähe und Distanz  sichtbar.

Die Perspektive der Wissenschaft

Im wissenschaftlichen Vortrag von Dr. Heidi Simoni, Leiterin des Marie Meierhofer Instituts für das Kind- „Beziehungsbedürfnisse des Pflegekindes“ wurde allen Beteiligten bewusst, dass es keine «harmlosen» Platzierungsmassnahmen gibt. Ein solches Ereignis hinterlässt im Leben jedes Kindes  tiefgreifende Spuren. . Diese Erkenntnis beruht auf verschiedenen  Forschungsergebnissen.  Prof. Dr. Klaus Wolf, Leiter der Forschungsgruppe Pflegekinder der Universität Siegen beeindruckte mit seiner Aussage, dass die Pflegeeltern als Expertinnen und Experten für das ihnen anvertraute Kind anerkannt werden sollten. Ebenso betonte er die Wichtigkeit, dass die leiblichen Eltern während der Fremdunterbringung ihrer Kinder genügend begleitet werden.  

Die Perspektive der Umsetzung

familea nimmt als Schnittstelle zwischen Behörden und Pflegefamilien eine wichtige Rolle in der fachlichen und praktischen Umsetzung ein. Dabei ist es wichtig, die Pflegefamilien bedarfsorientiert zu begleiten und zu schulen. Dieser Prozess bedarf einer ständigen Optimierung und Reflexion, angepasst an die konkreten Bedürfnisse in einem Pflegeverhältnis. Die Intensität und Wichtigkeit der Rolle des Zentrum Pflegekinder Nordwestschweiz spiegelt sich auch im nachhaltigen Wachstum von 4 auf 15 Mitarbeitende innert zwei Jahren wieder.

Die gemeinsame Perspektive

Dies fand starke Zustimmung bei den anwesenden Pflegeeltern. In der anschliessenden Podiumsdiskussion wurdedie Frage nach der Verantwortung und Anerkennung der Pflegeltern ausführlich diskutiert. Betont wurde dabei die Rolle und Verfügbarkeit der zuweisenden Fach- und Beistandspersonen. «was ist danach» bzw. die Begleitung von Pflegekindern nach dem 18. Lebensjahr war ein weiteres wichtiges Thema, welches oft Unsicherheit auslöst.  

Die Zukunftsperspektive

Die erste Fachtagung war ein voller Erfolg. familea hat die verschiedenen Ansichten, Perspektiven und wissenschaftliche Grundlagen zusammengebracht. Wichtige Ansatzpunkte für die weitere Zusammenarbeit aller Beteiligten wurden geschaffen. Im nächsten Schritt werden die verschiedenen Aspekte und Forderungen zusammengetragen und an möglichen Umsetzungen gearbeitet. Fakt ist, dass das Spannungsfeld im Pflegekinderwesen immer bestehen wird. Mit dem gemeinsamen Austausch ist es uns gelungen, die verschiedenen Perspektiven zusammenzuführen, zu sensibilisieren und gemeinsam für das Wohl des Pflegekindes weiterhin unterwegs zu sein.

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